«Reporter»: Die Erotik der Schwarzen Madonna – Unterwegs mit Bruder Gerold, Garderobier der Muttergottes
Der Kammerdiener im Kloster Einsiedeln scheint eine geradezu erotische Beziehung zur Schwarzen Madonna entwickelt zu haben. Kein Wunder, schliesslich obliegt Bruder Gerold die Einkleidung der berühmten Muttergottesstatue. Keiner anderen Frau, sagt der Mönch, sei er jemals so nahe gekommen.
Sie gilt als die Bestangezogene aller Madonnen. Keine soll so viele und so kostbare Kleider besitzen wie die Schwarze Madonna im barocken Einsiedeln. 30 Gewänder stehen Bruder Gerold zur Auswahl. Das älteste ist 400 Jahre alt, das neueste stammt von einer muslimischen Modeschöpferin.
Etwa alle zwei Wochen hat Bruder Gerold Nachtschicht. Dann klettert er auf den Altar und entkleidet die Madonna – allerdings nicht bis zum letzten Unterrock. Dieser ist sowieso ins Holz geschnitzt. Und warum ist die Madonna von Einsiedeln eigentlich schwarz? Bruder Gerold übermittelt die offizielle Kirchenlehre: vom vielen Kerzenruss. Der Andrang in der Gnadenkapelle ist gross, denn die Schwarze Madonna wird auch von Leuten verehrt, die mit der Kirche nichts am Hut haben.
Bruder Gerold ist in Altdorf aufgewachsen und durfte als Bub im Theater den Walterli spielen, welchem der Tell den Apfel vom Kopf schiesst. Seit dieser Zeit wohnen zwei Seelen, ach, in seiner Brust: eine der Schwarzen Madonna, eine des Wilhelm Tell. Alles, was irgendwie mit dem Tell zu tun hat, trägt der Patriot zusammen – bis ihn wieder die Gottesmutter ruft.
Reporter Roland Huber begleitet den Mönch beim Herrichten der Kapelle und dem Ankleiden der Schwarzen Madonna.
Die Reportage «Die Erotik der Schwarzen Madonna» ist Teil des SRF-Themenschwerpunkts Barock – mon amour»