«Espresso»: ricardo.ch-Betrug – Über 200 Kunden sind betroffen
Dieser Betrugsfall gehört zu einem der grössten in der Geschichte der Internetplattform ricardo.ch. Selbst erfahrene Käuferinnen und Käufer ersteigerten Artikel, die nicht existierten. Bestellt wurden Artikel im Wert von insgesamt 100‘000 Franken. «Espresso» kennt über 200 Betroffene.

«Ich kaufe nicht einfach so, ich überprüfe den Verkäufer, und trotzdem habe ich zuerst keinen Verdacht geschöpft», ärgert sich der erfahrene ricardo.ch-Nutzer Marco Kälin gegenüber der Radio SRF 1-Konsumentensendung «Espresso». Zu gut seien die Bewertungen über den Verkäufer gewesen. Erst als er von diesem die Nachricht erhält, dass es etwas länger dauere mit der Auslieferung, schrillen die Alarmglocken.
Nachdem er einen ersten Verdacht geschöpft hat, informiert Marco Kälin nicht nur die Polizei, sondern auch an die Internetplattform selbst. Dies geschieht am 22. Juli 2013. ricardo.ch jedoch sperrt den Verkäufer erst Tage später, am 30. Juli. In diesem Zeitraum ersteigern hunderte weitere Benutzer Artikel. Umso unverständlicher wirkt dieses Zögern, als ricardo.ch schon am 1. Juli misstrauisch wurde und den Verkäufer temporär sperrte. «Wir haben ihn gesperrt, bis er Nachweise über seine Person, seine Firma und seine Artikel erbringen konnte», so ricardo.ch-Managing Director Yves Mäder. Diese Nachweise habe der Verkäufer erbringen können, also habe man ihn wieder zugelassen.
Der Verkäufer, der die Ware auf die Internetplattform stellte, nennt sich «Georg_Gipser_GmbH». Eine Firma mit solchem Namen existiert in Huttwil BE. Doch vor Ort ist sie nicht auffindbar. «Wir sind umgezogen, neu finden Sie uns in Däniken», steht auf einem Zettel geschrieben. Am neuen Ort jedoch eröffnete die Firma nie eine Filiale, der Besitzer ist – zusammen mit dem erbeuteten Geld – abgetaucht.
«Espresso» spricht mit weiteren Geschädigten. Der Tenor ist überall gleich: «ricardo.ch hätte sich bei uns melden müssen, vor allem, da sie bereits im Voraus wussten, dass es sich um einen dubiosen Händler handelt!» Den Geschädigten bleiben nun zwei Möglichkeiten: Sie können bei der Polizei Anzeige erstatten; und sie können bei ricardo.ch Käuferschutz geltend machen. Dieser greift jedoch nur bis zu einem Gesamtbetrag von 250 Franken. Ein schwacher Trost für Marco Kälin, dessen vier Tablets insgesamt über 1000 Franken kosteten.
Die Frage bleibt deshalb: Warum hat ricardo.ch die «Georg_Gipser_GmbH» nicht von der Plattform genommen, obwohl die Betreiber über entsprechende E-Mail-Hinweise von Kunden verfügten? «Wir verwenden ein transparentes Bewertungssystem», meint Managing Director Mäder dazu. Über dieses System sei bis Ende Juli 2013 keine einzige negative Bewertung über den Verkäufer abgegeben worden. Deshalb habe man auch nicht reagiert.